Nicht eine, sondern gleich mehrere Alternativen zu dem Himmelskörper, dessen Eroberung durch den Menschen nun ein halbes Jahrhundert zurückliegt, versprechen die Fotografien von Nadine Schlieper und Robert Pufleb. Nach dem ersten Erstaunen über diese merkwürdige (Aus-)Wahl drängen sich Zweifel auf: Wie konnten dem Duo die Aufnahmen der zahlreichen und deshalb zwangsläufig erdfremden Monde gelingen, welche die zeitgenössische Astrofotografie in puncto Auflösung und Schärfe weit hinter sich lassen? Und warum wird dieses Überangebot an Monden als eine Alternative präsentiert – als Alternative wozu?
Indessen man sich noch wundert, meldet sich das Bewusstsein zurück, es hier mit dem fotografischen Medium und so mit einer immanenten Neigung zu Manipulation zu tun zu haben. Auf die Relativierung der ersten Irritation folgt unmittelbar eine zweite Verunsicherung, wenn stellenweise eine gebackene Realität aus den Trabantenkörpern bricht und auf ihren Oberflächen wuchert. Doch auch die abjekte Reaktion auf die teigigen Graunuancen, befördert durch das Aufeinandertreffen von technischem Medium und organischer Speise, wird schnell verdrängt: Wo die Künstler in ihrem Frühstück Monde entdeckten, versuchen wir in unserem Erklärungswahn mit aller Kraft diese Monde in teleskopischer Distanz in Pfannkuchen zurück zu verwandeln. Und während Erstere hier ein vollkommen entspanntes Verhältnis zum weiterhin eifrig gehüteten Wahrheitsanspruch der Fotografie an den Tag legen, sind es dieses Mal wir selbst, welche jenen Wahrheitsanspruch erneut an die Bilder herantragen und ein ums andere Mal beweisen, dass sich die Frage nach der Echtheit überhaupt erst mit der Aufnahme stellt!
Ebenso wie Globalisierung und Kapitalismus nach Eindeutigkeit verlangen, mehr noch von ihr abhängig sind, besitzen gleichermaßen wir Menschen eine Passion für das Reale, ein Verlangen nach Säuberung, Vereindeutigung, nach Entlarvung der Täuschung. Wir wollen uns nicht mit der ambiguen Erfahrung begnügen, die uns diese Bilder ermöglichen. Begierig zeigt sich der Wunsch hinter sie zu blicken, nur um bestätigt zu bekommen, was wir ohnehin zu wissen glauben. Die humoristische Vorführung unseres vergeblichen Versuches jeden Zweifel, jede Unentschiedenheit einzuhegen, bringt das genuin Dokumentarische der Alternative Moons zutage.
Vielmehr als Monde oder Pfannkuchen zu repräsentieren, zeigen diese Bilder etwas über unser zwiegespaltenes Verhältnis zum fotografischen Medium. Weitergehend machen sie uns verständlich, dass es in unserer vielproklamierten Bilderwelt nicht länger darum geht, wie eine vorbestehende Realität im Bild wiedergegeben ist, sondern umgekehrt darum zu begreifen, welchen Einfluss das Bild auf die Erschaffung der Realität hat, indem es reale Affekte, Ansichten und Handlungsweisen in seinen BetracherInnen auslöst.
Die im Titel gebotene Alternative lässt sich demnach weniger als ernsthafte planetarische Option, denn als gedankliche Öffnung gegenüber der Ambiguität dieser Welt verstehen. Während ihr Gegenteil, die Alternativlosigkeit, einen Zwang und Druck suggeriert und somit völlig unangemessen jeglichen Dialog, jegliche Argumentation von vorne herein als obsolet verwirft, ermöglicht die Alternative grundsätzlich eine Wahl und damit zugleich die Notwendigkeit des Nachdenkens und Reflektierens. Gerade die Kunst ist als ein Ort der Uneindeutigkeit immer auch ein Ort der Alternative. Wie mit den Alternative Moons eingelöst, bleibt es Aufgabe der Kunst uns die Fähigkeit abzuverlangen unlösbare Widersprüche auszuhalten und durch ihre Polyvalenz und Mehrdeutigkeit zahlreiche Potenziale anzustoßen wie freizusetzen. Mit welchem Maß an schöpferischer Kraft sie aufgeladen sind, beweisen die Mondpfannkuchen jedoch am besten als Energiespender in den hungrigen Künstlermägen, wenn auf ihre fotografische letztendlich auch ihre physische Vereinnahmung folgt!
Jolanda Wessel
Alternative Moons ist das erste gemeinsame Fotobuch von Nadine Schlieper und Robert Pufleb.
Auflage 750 / Format 29,7 x 21 cm / 72 Seiten / 42 Abbildungen s/w Duotone / METAPAPER Rough warmwhite 160 g / Hardcover, Fadenheftung, blauer Textilrücken / Schrift Linotype Univers / The Eriskay Connection / ISBN 978−94−92051−37−0 /
Nicht eine, sondern gleich mehrere Alternativen zu dem Himmelskörper, dessen Eroberung durch den Menschen nun ein halbes Jahrhundert zurückliegt, versprechen die Fotografien von Nadine Schlieper und Robert Pufleb. Nach dem ersten Erstaunen über diese merkwürdige (Aus-)Wahl drängen sich Zweifel auf: Wie konnten dem Duo die Aufnahmen der zahlreichen und deshalb zwangsläufig erdfremden Monde gelingen, welche die zeitgenössische Astrofotografie in puncto Auflösung und Schärfe weit hinter sich lassen? Und warum wird dieses Überangebot an Monden als eine Alternative präsentiert – als Alternative wozu?
Indessen man sich noch wundert, meldet sich das Bewusstsein zurück, es hier mit dem fotografischen Medium und so mit einer immanenten Neigung zu Manipulation zu tun zu haben. Auf die Relativierung der ersten Irritation folgt unmittelbar eine zweite Verunsicherung, wenn stellenweise eine gebackene Realität aus den Trabantenkörpern bricht und auf ihren Oberflächen wuchert. Doch auch die abjekte Reaktion auf die teigigen Graunuancen, befördert durch das Aufeinandertreffen von technischem Medium und organischer Speise, wird schnell verdrängt: Wo die Künstler in ihrem Frühstück Monde entdeckten, versuchen wir in unserem Erklärungswahn mit aller Kraft diese Monde in teleskopischer Distanz in Pfannkuchen zurück zu verwandeln. Und während Erstere hier ein vollkommen entspanntes Verhältnis zum weiterhin eifrig gehüteten Wahrheitsanspruch der Fotografie an den Tag legen, sind es dieses Mal wir selbst, welche jenen Wahrheitsanspruch erneut an die Bilder herantragen und ein ums andere Mal beweisen, dass sich die Frage nach der Echtheit überhaupt erst mit der Aufnahme stellt!
Ebenso wie Globalisierung und Kapitalismus nach Eindeutigkeit verlangen, mehr noch von ihr abhängig sind, besitzen gleichermaßen wir Menschen eine Passion für das Reale, ein Verlangen nach Säuberung, Vereindeutigung, nach Entlarvung der Täuschung. Wir wollen uns nicht mit der ambiguen Erfahrung begnügen, die uns diese Bilder ermöglichen. Begierig zeigt sich der Wunsch hinter sie zu blicken, nur um bestätigt zu bekommen, was wir ohnehin zu wissen glauben. Die humoristische Vorführung unseres vergeblichen Versuches jeden Zweifel, jede Unentschiedenheit einzuhegen, bringt das genuin Dokumentarische der Alternative Moons zutage.
Vielmehr als Monde oder Pfannkuchen zu repräsentieren, zeigen diese Bilder etwas über unser zwiegespaltenes Verhältnis zum fotografischen Medium. Weitergehend machen sie uns verständlich, dass es in unserer vielproklamierten Bilderwelt nicht länger darum geht, wie eine vorbestehende Realität im Bild wiedergegeben ist, sondern umgekehrt darum zu begreifen, welchen Einfluss das Bild auf die Erschaffung der Realität hat, indem es reale Affekte, Ansichten und Handlungsweisen in seinen BetracherInnen auslöst.
Die im Titel gebotene Alternative lässt sich demnach weniger als ernsthafte planetarische Option, denn als gedankliche Öffnung gegenüber der Ambiguität dieser Welt verstehen. Während ihr Gegenteil, die Alternativlosigkeit, einen Zwang und Druck suggeriert und somit völlig unangemessen jeglichen Dialog, jegliche Argumentation von vorne herein als obsolet verwirft, ermöglicht die Alternative grundsätzlich eine Wahl und damit zugleich die Notwendigkeit des Nachdenkens und Reflektierens. Gerade die Kunst ist als ein Ort der Uneindeutigkeit immer auch ein Ort der Alternative. Wie mit den Alternative Moons eingelöst, bleibt es Aufgabe der Kunst uns die Fähigkeit abzuverlangen unlösbare Widersprüche auszuhalten und durch ihre Polyvalenz und Mehrdeutigkeit zahlreiche Potenziale anzustoßen wie freizusetzen. Mit welchem Maß an schöpferischer Kraft sie aufgeladen sind, beweisen die Mondpfannkuchen jedoch am besten als Energiespender in den hungrigen Künstlermägen, wenn auf ihre fotografische letztendlich auch ihre physische Vereinnahmung folgt!
Jolanda Wessel
Alternative Moons ist das erste gemeinsame Fotobuch von Nadine Schlieper und Robert Pufleb.
Auflage 750 / Format 29,7 x 21 cm / 72 Seiten / 42 Abbildungen s/w Duotone / METAPAPER Rough warmwhite 160 g / Hardcover, Fadenheftung, blauer Textilrücken / Schrift Linotype Univers / The Eriskay Connection / ISBN 978−94−92051−37−0 /