PHANTOM MONUMENT von Ralf Werner

Das Denkmal für die Märzgefallenen von Walter Gropius wurde 1922 auf dem Historischen Friedhof in Weimar errich­tet. Es erinnert dort an neun strei­kende Arbeiter, die während des Kapp-Putsches 1920 erschos­sen wurden. Dieses, in Sichtbeton ausge­führte Monument in Gestalt eines kristal­lin gebro­che­nen, aufra­gen­den Blitzes, wurde 1936 durch die Nationalsozialisten zerstört. Eine Replik davon wurde 1946 in leicht verän­der­ter Form und Ausrichtung wieder an dersel­ben Stelle errich­tet, die origi­nale Gestalt des Monuments blieb jedoch verloren.

 

 

Drei histo­ri­sche Aufnahmen aus unter­schied­li­chen Blickrichtungen zeigen das Monument vor seiner Zerstörung. Auf der Grundlage dieser Aufnahmen hat Ralf Werner die verlo­rene Gestalt des Denkmals als Modell rekon­stru­iert. Dafür hat er die drei Fotografien aus unter­schied­li­chen Blickwinkeln in die Mitte seines Ateliers proji­ziert, und die drei Projektoren so im Raum positio­niert, wie es dem Aufnahmestandort der jewei­li­gen Fotografie entspricht. An der Stelle im Raum, wo sich die Strahlengänge der drei Projektoren überschnei­den, entstand im Dunkeln suchend und tastend die Rekonstruktion des Monuments aus weißem Karton: Einzelne Flächen wurden solange im Projektionsfeld geneigt und geschwenkt bis mindes­tens zwei der proji­zier­ten Aufnahmen auf ihnen zur Deckung gebracht waren. Auf diese Weise wurde die in den Fotografien gespei­cherte räumli­che Information über das verlo­rene Monument Schritt für Schritt wieder zurück in ein dreidi­men­sio­na­les Objekt übersetzt.

 

 

 

Das Video Phantom Monument zeigt dieses Objekt im Kreuzungspunkt der drei Projektionen auf einem Drehsockel um die eigene Achse rotie­rend. Die drei Projektoren belegen das Modell mit einer fotogra­fi­schen Haut aus Licht, während es sich darun­ter konti­nu­ier­lich dreht. Für einen kurzen Moment während jeder Umdrehung liegen die drei histo­ri­schen Aufnahmen nahezu deckungs­gleich auf dem Modell und evozie­ren so ein flüch­ti­ges Bild des zerstör­ten Denkmals. Schon einen kurzen Augenblick später verzer­ren und überla­gern sich die Projektionen auf dem weißen Untergrund und lösen die Gestalt des Monuments auf wie in den Facetten eines Kaleidoskops. Phantom Monument changiert bestän­dig zwischen Erscheinen und Verschwinden, zwischen Rekonstruktion und Auflösung einer verlo­re­nen Gestalt.

Abbildungen: Denkmal für die Märzgefallenen von Walter Gropius, Originalzustand (Foto: Louis Held) und Zustand nach der Zerstörung: Grabfeld mit Brunnen, Friedhof Weimar.Schema Phantom Monument, 2021© Ralf Werner /​ VG Bild-Kunst, Bonn

 

Phantom Monument, 2021 + 2025 © Ralf Werner /​ VG Bild-Kunst, Bonn