DÉJÀ-VU & TABLEAUX von Juergen Staack

DÉJÀ-VU
20 YEARS
 
 

 
 

 
 
Déjà-vu – 20 Years betitelt eine Installation von Juergen Staack, die im Jahr 2015 in Hongcheon in Südkorea im ländli­chen Außenraum errich­tet wurde: ein großer Metallkubus, der zwanzig Jahre lang als Camera Obscura im Einsatz stehen soll. Im Inneren des „Kameragehäuses“ (350 x 350 x 350 cm) befin­det sich eine unbehan­delte Holzplatte (244 x 244 cm). Durch ein drei Millimeter großes Loch in der gegen­über­lie­gen­den Wand dringt Licht ein, so dass ein auf dem Kopf stehen­des und spiegel­ver­kehr­tes Abbild der Außenwelt auf die Platte proji­ziert wird. Alle Veränderungen im Laufe der Zeit, alle Menschen, die vorbei­ge­hen, die wechseln­den Jahreszeiten und das Licht werden „aufge­zeich­net“ und verdun­keln das Holz. Am 18. September 2035 soll das Gehäuse des Kubus abgebaut und das eigent­li­che Kunstwerk, das durch Langzeitbelichtung entstan­dene Tableau, freige­legt werden: „Ein Schatten der Realität“. „Ein Reservoir der Zeit“.
 
 
 
TABLEAUX
 
 

 
 

 
 
Textauszug: Peter Friese, Bild. Grenzen. Überschreiten. in der Publikation Reduktion der Wirklichkeit, Juergen Staack, 2017:
 
Faszinierende Lichtbilder ganz beson­de­rer Art finden sich auch in der 2014 begon­ne­nen Serie Tableaux. Juergen Staack hat sich hier zu einem Kunstgriff entschlos­sen, der uns wieder an die Ursprünge der Fotografie zurück­führt. Als wolle er im wörtli­chen Sinne mit Licht schrei­ben, legt er alte Glasnegative die etwa um 1900 entstan­den sind, auf weißes glattes Pappelholz und setzt diese Kombination über längere Zeit – bis zu einem Jahr- dem direk­ten Sonnenlicht aus. Auf diese Weise wird eine helle unbehan­delte Holztafel zum Austragungsort einer aktuel­len, über ein Jahrhundert nach der eigent­li­chen Aufnahme statt­fin­den­den Belichtung. Die 4×5 oder 8×10 Inches messen­den Negative lassen nach wie vor Licht durch ihre trans­pa­ren­ten Bereiche. Und das helle Pappelholz beginnt an diesen Stellen dunkler zu werden, bis es beinahe einem alten Foto in Brauntönen ähnelt. Bei der Verwendung von gefun­de­nen, z. B. auf Flohmärkten erwor­be­nen Negativen, auf denen längst verstor­bene Personen zu sehen sind, begin­nen diese, als wären sie wieder leben­dig gewor­den, uns aus dem Bild heraus anzuse­hen. Hier wird die These, dass Fotografie auch etwas mit Abwesenheit, ja mit dem Tod zu tun hat, erneut bestätigt.
 
Die Menschen auf den Bildern sind längst nicht mehr. Und doch schei­nen sie uns aus dem vor langer Zeit entstan­de­nen und von Staack neu ans Licht geholte Bild anzubli­cken. Hinzu kommt noch die Erkenntnis, dass das Dunkelwerden des Pappelholzes einem Alterungs- und Auflösungsprozess entspricht, der diese Bilder aus der Vergangenheit nur für bemes­sene Zeit aufschei­nen lässt. Setzte man diese Holzbelichtungen in Gänze erneut dem Licht aus, hätten sie die Tendenz insge­samt nachzu­dun­keln. Das aber würde bedeu­ten, dass die um 1900 im Foto „festge­hal­te­nen“ Personen sich wieder in ihre Vergangenheit, d.h. faktisch in die allmäh­lich immer tiefer werdende Braunfärbung des Pappelholzes zurück­zö­gen. Juergen Staack faszi­niert die Tatsache, dass solche foto-chemi­schen Prozesse nicht nur sicht­bar und nachvoll­zieh­bar werden, sondern uns auch innehal­ten lassen, weil sie gewisse Analogien zum Leben selbst besit­zen. Sie verset­zen uns in die Lage, in epheme­ren Bildern Hinweise auf das Vergangene, Abwesende, auf das „Nicht Mehr“ zu entde­cken und als Erfahrung festzuhalten.
 
Jochen Gerz hat einmal gesagt, dass die wahren Bilder dieje­ni­gen seien, die keine Bilder sind. Er meinte damit die Bilder, die in unserem Innern, in unseren Träumen, unserer Erinnerung, Vorstellung, Sehnsucht und Hoffnung existie­ren und dort ihren wahren Platz haben. Man könnte analog dazu sagen, dass Juergen Staack in seinen Werken, ob es sich um Bilder, Performances, Klänge oder Installationen handelt, immer wieder den Zugang zu diesen „Inneren Bildern“ und ihre Aktivierung ermöglicht.