[…] Zunächst eine sterbende Tulpe. Von deren Süße war sie zart und gnädig gestimmt. Deshalb durfte die Tulpe auf dem ersten Abzug fast schweben. „Wir können sein wie Pflanzen. Pflanzen können sein wie wir. Das Es dieser Blume hier zum Beispiel verlangt nach Schutz. Sein Es verdient diesen Schutz“, erklärte sie bedeutsam. Doch kaum hauchten die weißen Blütenblätter durch einen weichen Schleier aus Licht und Schatten ihr Leben aus, war Mutter schon unwirsch und mahnte: „ Zuviel Süße verdirbt den Blick – wie Zucker den Magen – und außerdem – sie hat bereits ein ewiges Leben weil ich sie fotografierte. Das reicht. Also wollen wir sie kühl und sparsam erhöhen zu etwas Abstraktem.“ […]
Elisabeth Hase wurde 1905 in Döhlen bei Leipzig geboren und kam als 17jährige nach Frankfurt am Main. Von 1924 bis 1929 studierte sie Typografie bei Paul Renner und Gebrauchsgrafik bei Willi Baumeister an der Kunstgewerbeschule Frankfurt, der heutigen Städelschule. Nach ihrem Studium machte sie sich als Fotografin selbständig und arbeitete vornehmlich als Werbefotografin u.a. für die Firmen Thonet und Dr. Oetker. Während des Zweiten Weltkriegs gelang es Hase, sich durch den Rückzug in ihr Atelier der Politisierung ihrer Arbeit zu entziehen. Arbeitsschwerpunkte aus dieser Zeit waren Selbstinszenierungen und Blumenstillleben. Das Leben auf der Straße fotografierte sie mit zunehmender Distanz meist von oben. Ab 1949 fokussierte sie sich weiterhin auf Pflanzenportraits, neben Aufträgen für Presse und Werbung u.a. für Nivea, Leitz Rollei und Volkswagen. Ihre Fotografien, darunter häufig Selbstportraits, waren auf einer Vielzahl von Titelseiten und Werbeanzeigen zu sehen. Ihr Gesicht war eines der am häufigsten abgelichteten Werbegesichter ihrer Zeit. Elisabeth Hase verstarb 1991 in Frankfurt.
Hases Werke wurden in zahlreichen Museen ausgestellt, darunter im Museum Folkwang in Essen, im Museum für Fotografie in Braunschweig und im Musée d’Orsay in Paris. Ihre Arbeiten sind in bedeutenden internationalen Museumssammlungen zu finden, darunter im Metropolitan Museum of Art und Museum of Modern Art in New York, in der National Gallery in Washington, im Nelson-Atkins Museum of Art in Kansas City, in der Albertina in Wien und im Bauhaus-Museum für Gestaltung in Berlin.
Der Beitragstitel An Independent Vision ist der ersten Ausstellung von Elisabeth Hases Werk in der Robert Mann Gallery 2016 in New York entnommen.
Das Zitat am Anfang des Beitrags stammt aus dem Roman ZauberHAFT von Nani Simonis, der Tochter von Elisabeth Hase. Erschienen im Stroemfeld Verlag, Frankfurt am Main und Basel, 2003.
English translation below ↓
Tulpe, 1942
Tulpen, vermutlich 40er Jahre
Orchidee, vermutlich 1930er Jahre
Stillleben mit Blumen, vermutlich 1930er Jahre
Stillleben mit Blumen, vermutlich 1930er Jahre
Frau mit Kamera, 1940
Feder, 1931
Musikinstrument, um 1931
Frau mit Musikinstrument, vermutlich 1930er Jahre
Werbeaufnahme für die Buchdruckerei Erich Norberg, um 1935
Bela-Glanzgarn, um 1935
Nähkasten, um 1931
Kleine Stapel, 1949
Studie mit Eierkocher, Eiern und Schatten, vermutlich 1930er Jahre
Turm aus Zuckerwürfeln, 1949
Studie mit Früchten und Kaffee, vermutlich 1930er Jahre
Selbstportrait, 1927
Selbstportrait, um 1928
Zeppelin, um 1930
Brennendes Auto, um 1947
Straßenszene, um 1935
Straße von oben, 1931
Straßenszene, um 1930
Sommer / alte Gasse in Frankfurt, 1929
Einschiffen, vermutlich 1930er Jahre
Abreise, um 1931
Elisabeth Hase was born in Döhlen near Leipzig in 1905 and moved to Frankfurt am Main at the age of 17. She studied typography under Paul Renner and design under Willi Baumeister at the Kunstgewerbeschule Frankfurt, now known as the Städelschule. After completing her studies, she set up her own business as a photographer and worked primarily as an advertising photographer for companies such as Thonet and Dr. Oetker. During the Second World War, Hase managed to avoid the politicization of her work by retreating to her studio. Her work during this period focused on self-shoots and floral still lifes. She photographed life on the streets with increasing distance, mostly from above. From 1949 onwards, she continued to focus on plant portraits, alongside commissions for the press and advertising, including for Nivea, Leitz Rollei, and Volkswagen. Her photographs, often self-portraits, appeared on numerous front pages and advertisements. Her face was one of the most frequently published advertising faces of her time. Elisabeth Hase died in Frankfurt in 1991.
Hase’s works have been exhibited in numerous museums, including the Museum Folkwang in Essen, the Museum of Photography in Braunschweig, and the Musée d’Orsay in Paris. Her works can be found in major international museum collections, including the Metropolitan Museum of Art and Museum of Modern Art in New York, the National Gallery in Washington, the Nelson-Atkins Museum of Art in Kansas City, the Albertina in Vienna, and the Bauhaus Museum for Design in Berlin.
The title of the article, An Independent Vision, is taken from the first exhibition of Elisabeth Hase’s work at the Robert Mann Gallery in New York in 2016.
The quote at the beginning of this article is taken from the novel ZauberHAFT by Nani Simonis, the daughter of Elisabeth Hase. Published by Stroemfeld Verlag, Frankfurt am Main and Basel, 2003.
[…] Zunächst eine sterbende Tulpe. Von deren Süße war sie zart und gnädig gestimmt. Deshalb durfte die Tulpe auf dem ersten Abzug fast schweben. „Wir können sein wie Pflanzen. Pflanzen können sein wie wir. Das Es dieser Blume hier zum Beispiel verlangt nach Schutz. Sein Es verdient diesen Schutz“, erklärte sie bedeutsam. Doch kaum hauchten die weißen Blütenblätter durch einen weichen Schleier aus Licht und Schatten ihr Leben aus, war Mutter schon unwirsch und mahnte: „ Zuviel Süße verdirbt den Blick – wie Zucker den Magen – und außerdem – sie hat bereits ein ewiges Leben weil ich sie fotografierte. Das reicht. Also wollen wir sie kühl und sparsam erhöhen zu etwas Abstraktem.“ […]
Elisabeth Hase wurde 1905 in Döhlen bei Leipzig geboren und kam als 17jährige nach Frankfurt am Main. Von 1924 bis 1929 studierte sie Typografie bei Paul Renner und Gebrauchsgrafik bei Willi Baumeister an der Kunstgewerbeschule Frankfurt, der heutigen Städelschule. Nach ihrem Studium machte sie sich als Fotografin selbständig und arbeitete vornehmlich als Werbefotografin u.a. für die Firmen Thonet und Dr. Oetker. Während des Zweiten Weltkriegs gelang es Hase, sich durch den Rückzug in ihr Atelier der Politisierung ihrer Arbeit zu entziehen. Arbeitsschwerpunkte aus dieser Zeit waren Selbstinszenierungen und Blumenstillleben. Das Leben auf der Straße fotografierte sie mit zunehmender Distanz meist von oben. Ab 1949 fokussierte sie sich weiterhin auf Pflanzenportraits, neben Aufträgen für Presse und Werbung u.a. für Nivea, Leitz Rollei und Volkswagen. Ihre Fotografien, darunter häufig Selbstportraits, waren auf einer Vielzahl von Titelseiten und Werbeanzeigen zu sehen. Ihr Gesicht war eines der am häufigsten abgelichteten Werbegesichter ihrer Zeit. Elisabeth Hase verstarb 1991 in Frankfurt.
Hases Werke wurden in zahlreichen Museen ausgestellt, darunter im Museum Folkwang in Essen, im Museum für Fotografie in Braunschweig und im Musée d’Orsay in Paris. Ihre Arbeiten sind in bedeutenden internationalen Museumssammlungen zu finden, darunter im Metropolitan Museum of Art und Museum of Modern Art in New York, in der National Gallery in Washington, im Nelson-Atkins Museum of Art in Kansas City, in der Albertina in Wien und im Bauhaus-Museum für Gestaltung in Berlin.
Der Beitragstitel An Independent Vision ist der ersten Ausstellung von Elisabeth Hases Werk in der Robert Mann Gallery 2016 in New York entnommen.
Das Zitat am Anfang des Beitrags stammt aus dem Roman ZauberHAFT von Nani Simonis, der Tochter von Elisabeth Hase. Erschienen im Stroemfeld Verlag, Frankfurt am Main und Basel, 2003.
English translation below ↓
Tulpe, 1942
Tulpen, vermutlich 40er Jahre
Orchidee, vermutlich 1930er Jahre
Stillleben mit Blumen, vermutlich 1930er Jahre
Stillleben mit Blumen, vermutlich 1930er Jahre
Frau mit Kamera, 1940
Feder, 1931
Musikinstrument, um 1931
Frau mit Musikinstrument, vermutlich 1930er Jahre
Werbeaufnahme für die Buchdruckerei Erich Norberg, um 1935
Bela-Glanzgarn, um 1935
Nähkasten, um 1931
Kleine Stapel, 1949
Studie mit Eierkocher, Eiern und Schatten, vermutlich 1930er Jahre
Turm aus Zuckerwürfeln, 1949
Studie mit Früchten und Kaffee, vermutlich 1930er Jahre
Selbstportrait, 1927
Selbstportrait, um 1928
Zeppelin, um 1930
Brennendes Auto, um 1947
Straßenszene, um 1935
Straße von oben, 1931
Straßenszene, um 1930
Sommer / alte Gasse in Frankfurt, 1929
Einschiffen, vermutlich 1930er Jahre
Abreise, um 1931
Elisabeth Hase was born in Döhlen near Leipzig in 1905 and moved to Frankfurt am Main at the age of 17. She studied typography under Paul Renner and design under Willi Baumeister at the Kunstgewerbeschule Frankfurt, now known as the Städelschule. After completing her studies, she set up her own business as a photographer and worked primarily as an advertising photographer for companies such as Thonet and Dr. Oetker. During the Second World War, Hase managed to avoid the politicization of her work by retreating to her studio. Her work during this period focused on self-shoots and floral still lifes. She photographed life on the streets with increasing distance, mostly from above. From 1949 onwards, she continued to focus on plant portraits, alongside commissions for the press and advertising, including for Nivea, Leitz Rollei, and Volkswagen. Her photographs, often self-portraits, appeared on numerous front pages and advertisements. Her face was one of the most frequently published advertising faces of her time. Elisabeth Hase died in Frankfurt in 1991.
Hase’s works have been exhibited in numerous museums, including the Museum Folkwang in Essen, the Museum of Photography in Braunschweig, and the Musée d’Orsay in Paris. Her works can be found in major international museum collections, including the Metropolitan Museum of Art and Museum of Modern Art in New York, the National Gallery in Washington, the Nelson-Atkins Museum of Art in Kansas City, the Albertina in Vienna, and the Bauhaus Museum for Design in Berlin.
The title of the article, An Independent Vision, is taken from the first exhibition of Elisabeth Hase’s work at the Robert Mann Gallery in New York in 2016.
The quote at the beginning of this article is taken from the novel ZauberHAFT by Nani Simonis, the daughter of Elisabeth Hase. Published by Stroemfeld Verlag, Frankfurt am Main and Basel, 2003.
All works are vintage silver prints. © Estate of Elisabeth Hase, courtesy of Robert Mann Gallery, New York.