Dörte Eißfeldt hat einmal ein Buch gemacht, das auf 29 Seiten Fotografien eines Schneeballs zeigt. Vielleicht sind es auch 29 Schneebälle, jedenfalls ist es ein Objekt, dessen augenfällige Eigenschaft das Verrinnen ist. Sie hat dabei auf zweifacher Ebene das Fotografische selbst zum Protagonisten gemacht: Im eigentlichen fotografischen Akt, den Schneeball (die Schneebälle) aufzunehmen, und im Schneeball, der nur aufgrund ihres Fotografierens ein Nachleben erhält. Ist also erstaunlicherweise der Schneeball, der – sofern er nicht in der ihm eigenen oder ähnlicher Temperatur aufbewahrt wird – eine vergängliche Erscheinung ist, geduldig geworden? Nein, es ist das Papier, das uns vom Schneeball erzählt, das ihn für uns aufbewahrt und zugänglich macht.
Diese Form des Bewahrens überträgt Dörte Eißfeldt auf ihr Archiv oder auf die Idee, die sie von ihrem und von einem Archiv hat. Wie diesem vielfältigen, zunächst gleichwertig nebeneinanderstehenden Material begegnen? Wohin mit all den Negativen, den Papierabzügen, Schachteln, Notizen, verworfenen oder auf Eis liegenden Ideen? Das Materielle ist auf vielfacher Ebene mit der Fotografie, zumal mit der analogen, verwoben – die analoge Fotografie ist Materie. So ist es nicht überraschend, wenn fotografisch arbeitende Künstlerinnen in ihrer Lebens- und Schaffenszeit immer mehr anhäufen und immer wieder damit beschäftigt sind, Ordnung zu schaffen, auszuwählen, zu systematisieren, logische und vielleicht sogar nachvollziehbare Muster zu entwerfen, die sich möglichst lange und auf möglichst viele Formate ihrer fotografischen Arbeit anwenden lassen.
Ein Archiv verkörpert das, was bleibt. […]
English translation below ↓
Studio 3 Rolle
Doppelseite Studio 10 Spirit | Studio 11 Rückenfeld
Doppelseite Studio 15 Stimmen
Studio 17 Face Mexico
Doppelseite Studio 17 Face Mexico | Studio 18 Vera Ikon
Doppelseite Studio 22 Regal | Studio 23 Agfa 1 + Schattentheater
Studio 26 Kl. Favorit 219
Studio 27 Korpus
Doppelseite Studio 28 GlasSelbstTesa
Doppelseite Studio 29 Großes Glas Selbst | Studio 30 Karde
Doppelseite Studio 50 Kl. Favorit 147-Faust | Studio 51 Stein
Studio 52 Daumen
Studio 55 April
Doppelseite Studio 56 Großer Surfer
Studio 59 Haut
The book is what remains.
Dörte Eißfeldt once created a book 29 pages of which consisted of photographs of a snowball. There might well have been 29 snowballs, but whatever the case, it’s an object whose foremost feature is that it’s melting. Eißfeldt presented photography itself as a protagonist on two levels: in the actual act of photographing the snowball(s), and in the snowball itself, whose afterlife is a result of her photographing it. So, has the snowball – a transient phenomenon unless stored at its own or a similar temperature – become incredibly patient? No, it’s the paper that tells us about the snowball, that preserves it for us and makes it accessible.
Dörte Eißfeldt applies this form of conservation to her archive or to the idea that she has of her or any archive. How to approach such a wide range of material, arranged together at first on an equal basis? Where to put all the negatives, prints on paper, boxes, notes, discarded or shelved ideas? Materiality is interwoven with photography, particularly with analogue photography, on many levels – analogue photography is material. Thus, it’s not surprising when artists working with photography accumulate more and more stuff during their lifetimes and careers and are constantly occupied with creating order, selecting, systematizing, and designing logical and hopefully understandable patterns that can last as long and be applied to as many formats in their photographic work as possible.
An archive is the embodiment of what remains. […]
Text von | by Rebecca Wilton, erschienen in | published in: Dörte Eißfeldt, Stehen Liegen Hängen, DISTANZ Verlag 2024
Das Buch ist das, was bleibt.
Dörte Eißfeldt hat einmal ein Buch gemacht, das auf 29 Seiten Fotografien eines Schneeballs zeigt. Vielleicht sind es auch 29 Schneebälle, jedenfalls ist es ein Objekt, dessen augenfällige Eigenschaft das Verrinnen ist. Sie hat dabei auf zweifacher Ebene das Fotografische selbst zum Protagonisten gemacht: Im eigentlichen fotografischen Akt, den Schneeball (die Schneebälle) aufzunehmen, und im Schneeball, der nur aufgrund ihres Fotografierens ein Nachleben erhält. Ist also erstaunlicherweise der Schneeball, der – sofern er nicht in der ihm eigenen oder ähnlicher Temperatur aufbewahrt wird – eine vergängliche Erscheinung ist, geduldig geworden? Nein, es ist das Papier, das uns vom Schneeball erzählt, das ihn für uns aufbewahrt und zugänglich macht.
Diese Form des Bewahrens überträgt Dörte Eißfeldt auf ihr Archiv oder auf die Idee, die sie von ihrem und von einem Archiv hat. Wie diesem vielfältigen, zunächst gleichwertig nebeneinanderstehenden Material begegnen? Wohin mit all den Negativen, den Papierabzügen, Schachteln, Notizen, verworfenen oder auf Eis liegenden Ideen? Das Materielle ist auf vielfacher Ebene mit der Fotografie, zumal mit der analogen, verwoben – die analoge Fotografie ist Materie. So ist es nicht überraschend, wenn fotografisch arbeitende Künstlerinnen in ihrer Lebens- und Schaffenszeit immer mehr anhäufen und immer wieder damit beschäftigt sind, Ordnung zu schaffen, auszuwählen, zu systematisieren, logische und vielleicht sogar nachvollziehbare Muster zu entwerfen, die sich möglichst lange und auf möglichst viele Formate ihrer fotografischen Arbeit anwenden lassen.
Ein Archiv verkörpert das, was bleibt. […]
English translation below ↓
Studio 3 Rolle
Doppelseite Studio 10 Spirit | Studio 11 Rückenfeld
Doppelseite Studio 15 Stimmen
Studio 17 Face Mexico
Doppelseite Studio 17 Face Mexico | Studio 18 Vera Ikon
Doppelseite Studio 22 Regal | Studio 23 Agfa 1 + Schattentheater
Studio 26 Kl. Favorit 219
Studio 27 Korpus
Doppelseite Studio 28 GlasSelbstTesa
Doppelseite Studio 29 Großes Glas Selbst | Studio 30 Karde
Doppelseite Studio 50 Kl. Favorit 147-Faust | Studio 51 Stein
Studio 52 Daumen
Studio 55 April
Doppelseite Studio 56 Großer Surfer
Studio 59 Haut
The book is what remains.
Dörte Eißfeldt once created a book 29 pages of which consisted of photographs of a snowball. There might well have been 29 snowballs, but whatever the case, it’s an object whose foremost feature is that it’s melting. Eißfeldt presented photography itself as a protagonist on two levels: in the actual act of photographing the snowball(s), and in the snowball itself, whose afterlife is a result of her photographing it. So, has the snowball – a transient phenomenon unless stored at its own or a similar temperature – become incredibly patient? No, it’s the paper that tells us about the snowball, that preserves it for us and makes it accessible.
Dörte Eißfeldt applies this form of conservation to her archive or to the idea that she has of her or any archive. How to approach such a wide range of material, arranged together at first on an equal basis? Where to put all the negatives, prints on paper, boxes, notes, discarded or shelved ideas? Materiality is interwoven with photography, particularly with analogue photography, on many levels – analogue photography is material. Thus, it’s not surprising when artists working with photography accumulate more and more stuff during their lifetimes and careers and are constantly occupied with creating order, selecting, systematizing, and designing logical and hopefully understandable patterns that can last as long and be applied to as many formats in their photographic work as possible.
An archive is the embodiment of what remains. […]
Text von | by Rebecca Wilton, erschienen in | published in: Dörte Eißfeldt, Stehen Liegen Hängen, DISTANZ Verlag 2024
Doppelseite Index 02
Cover Stehen Liegen Hängen
Alle Abbildungen | All images: © Dörte Eißfeldt / VG Bild-Kunst, Bonn 2025